StartseiteAlt werden: Zwischen Wissenschaft und Politik

StartseiteAlt werden: Zwischen Wissenschaft und Politik

Alt werden: Zwischen Wissenschaft und Politik

Vieillissement(s) : entre sciences et politiques

Ageing: Between Science and Politics

Eine internationale und multidisziplinäre Konferenz von FRAMAG

Colloque international et pluridisciplinaire FRAMAG

An international and pluridisciplinary conference of FRAMAG

*  *  *

Veröffentlicht am vendredi, 11. juillet 2014

Zusammenfassung

Die alternde Bevölkerung ist seit Mitte des 20. Jahrhundert in stetig wachsendem Ausmaß zu einer Herausforderung für die Wissenschaft und Politik in der industrialisierten Welt geworden. Lange Zeit war das Interesse am Thema nur durch die Entwicklung der Altersstruktur, der ‚alarmierenden Demographie‘ (nach Katz, 1992) und der Angst vor einem Bevölkerungsrückgang aufrechterhalten worden. Wissenschaftler aus den Geistes-, Sozial- und Rechtswissenschaften sind eingeladen, lokale sowie international vergleichende Ansätze, die sich dem Thema des Alters annehmen, vorzustellen.

Inserat

Zielsetzung der Konferenz

Die alternde Bevölkerung ist seit Mitte des 20. Jahrhundert in stetig wachsendem Ausmaß zu einer Herausforderung für die Wissenschaft und Politik in der industrialisierten Welt geworden. Lange Zeit war das Interesse am Thema nur durch die Entwicklung der Altersstruktur, der ‚alarmierenden Demographie‘ (nach Katz, 1992) und der Angst vor einem Bevölkerungsrückgang aufrechterhalten worden.

Auf der einen Seite ist das Alter zwischenzeitlich zu einem Spezialgebiet in einer Vielzahl wissenschaftlicher Disziplinen avanciert, so in der Medizin, Soziologie, Psychologie, um nur drei Beispiele zu nennen. Neue Wissensbereiche (Bernstein, 2007) sind seither entstanden, deren Beginn und örtliche Ausprägung jedoch Unterschiede aufweisen. Lokale Entwicklungen, wie die französische Alterssoziologie und die kulturellen Alterswissenschaften in den USA stehen dabei neben der global beobachtbaren Ausbreitung von Gerontologie und Geriatrie (Achenbaum, 1995; Moulaert, 2012; Leborgne-Uguen, Pennec, 2012). Wie jedoch ist das Alter zu einem distinkten Forschungsobjekt geworden und wo verlaufen die Grenzen zu anderen Wissensfeldern? Welche Eigenschaften schaffen die Grundlage für die fortschreitende Spezialisierung des Gebiets? Mit welchen epistemologischen Problemen sieht sich das Feld konfrontiert? Welche Rückwirkungen haben diese oder können diese auf das Forschungsobjekt haben?

Auf der anderen Seite sind Teile der Bevölkerung, wie bspw. ältere Menschen, jene, die ihre Eigenständigkeit zum Teil eingebüßt haben, die sogenannten Senioren, oder ältere Arbeitnehmer zum Ziel der Sozial- und Gesundheitspolitik im Wohlfahrtsstaat geworden. Die meisten der Gesetze, die in Europa innerhalb dieses Bereichs verabschiedet wurden, sind ökonomischer Natur. Mit Beginn der Industriegesellschaft und der mit ihr einhergehenden ‚Institutionalisierung des Lebenslaufs‘ (Kohli, 1986; Glootz, 2009) ist erklärtes Ziel jener Gesetzgebung die Existenzgrundlage oder Entlastung derjenigen, die zu alt sind, um ihren Lebensunterhalt durch Arbeit gewährleisten zu können: Rentenzahlungen, die obligatorische Betreuung armer älterer Menschen oder die finanzielle Entschädigung für ihre ‚Abhängigkeit‘ – all diese „Verwaltungs“-Gesetze basieren auf einem biologischen Zugang zum Alter. Sie gehen davon aus, dass der natürliche altersbedingte Abbau kompensiert werden muss, da er eine Gefahr für die nationalen Ökonomien darstellt. Die Frage, die sich hier stellt, ist, ob sich nicht auch lokale und regionale Besonderheiten und Lösungen abzeichnen, die einer solchen konsensuell getragenen biologischen Konzeption widersprechen. Wir möchten daher historische, sozio-historische und international vergleichende Perspektiven willkommen heißen, die sich kritisch mit den Beschaffenheit und den Eigenschaften solcher Gesetze auseinander setzen.

Zusätzlich dazu möchten wir besonders das Verhältnis zwischen Politik und Wissen, das der gesetzlichen Lage zu Grunde liegt, kritisch hinterfragen. Welche Expertise wird benötigt? Von wem und wie wird diese Expertise definiert? Welche Hierarchien bestehen zwischen den Wissensfeldern und dem politischen Diskurs und Handeln? Was verbindet die spezifische Wissensproduktion und das Entstehen von politischen Altersstrategien? Wie ergänzen sich Wissenschaft und Politik gegenseitig? Folgt die Zweiteilung in einen politischen und einen wissenschaftlichen Zuständigkeitsbereich einer dem Objekt inhärenten Logik oder ist sie eher das Ergebnis einer Trennung zwischen intellektueller und politischer Arbeit?

Die ‚Biomedikalisierung‘ (Foucault, 1976) älterer Menschen ist teilweise schon studiert und beschrieben worden. Welche Rolle jedoch spielten die Sozialwissenschaften für die relativ junge Beschäftigung mit dem Problem des Alterns? Bisher wurde dem Einfluss veränderter sozialwissenschaftlicher Forschungsinteressen auf das Objekt des Alterns wenig Beachtung geschenkt. Und doch scheint die größer werdende Aufmerksamkeit für professionelle Praktiken, die Professionalisierung und die lebenslangen Lernprozesse der Pflegeberufe eine Mobilisierung und Rekontextualisierung des Wissens aus den Geistes- und Sozialwissenschaften nach sich zu ziehen. Welche Effekte hatte die Nutzung dieses Wissens auf das Feld? Welche Rückwirkungen wiederum hatte dieser Einfluss auf die wissenschaftlichen Disziplinen und die Wissensproduktion?

Themen

Wissenschaftler aus den Geistes-, Sozial- und Rechtswissenschaften sind eingeladen, lokale sowie international vergleichende Ansätze, die sich dem Thema des Alters annehmen, vorzustellen in einem der drei folgenden Themenfelder.

Theme 1 – Konstruktionsprozesse

Das erste Thema zielt auf das Aufzeichnen von Genealogien des dem Altersbegriff, wie er im wissenschaftlichen Diskurs und der Politik verwendet wird. Leitfragen hierzu sind: Wann entstehen und verändern sich die Begriffe innerhalb der beiden Bereiche? Treten sie zu einem bestimmten Zeitpunkt gar in Konkurrenz miteinander? Welche historischen Kontroversen, welche sozialen oder individuellen Spannungen ziehen Veränderungsprozesse nach sich? Welches Wissen gilt als ausbaufähig und förderungswürdig? Wer ist in diese Veränderungsprozesse eingebunden? Welche Rolle spielen einzelne Personen in diesen Prozessen?

Dieser Themenblock soll vor allem historische oder sozio-historische Perspektiven auf die Konzeption des Alters in Wissenschaft und Politik eröffnen.

Theme 2 – Die Rolle der Sozialwissenschaften

Dieser Themenblock ist reflexiven Forschungsansätzen in den Sozialwissenschaften gewidmet (oder auch einer kritischen Forschung im Sinne der ‚kritischen Gerontologie‘ nach Moody, 1993). Welche Effekte kann die Produktion von Wissen über das Alter auf das Objekt „Alter“ selbst haben? Interessant ist hier der Umstand, wie Politik als auch die Wissenschaft „alt sein“ definieren und sich gegenseitig beeinflussen.

Theme 3 – Spezialisierung, Ausbildung und Professionalisierung

Innerhalb des dritten Themenblocks sollen die Berufe und Berufstätigen innerhalb der privaten und öffentlichen Verwaltung der alternden Bevölkerung im Mittelpunkt stehen. Von Interesse sind hier bspw. die Spezialisierung der Karrierewege, der Ausbau von Berufen wie der Krankenpflege und der Sozialarbeit durch Fähigkeiten, die an die spezifischen Herausforderungen der Arbeit mit älteren Menschen angepasst sind, die Analyse von interdisziplinären Herangehensweisen, wie bspw. dem case manager und weiteren Konzepten.

Welche zeitgenössischen Probleme ziehen sich durch viele der durch die Politik produzierten Praktiken? Welche Felder und professionellen Praktiken entstehen, wenn das Alter als ‚soziales Problem‘ angesehen wird, oder eben im Umkehrschluss in Begriffen wie dem ‚aktiven Altern‘ oder dem ‚gut Altern‘ als Möglichkeiten umgeschrieben werden? Welche Lösungen werden für welche Art von Problem vorgeschlagen? Auf was basiert die Expertise altersspezifischer Berufe? Welchen Problemen begegnen sie? Welche Fragen stellen sie sich? Die Bewertung professioneller Praktiken scheint mittlerweile transversal durch die Disziplinen zu laufen. Was sind die möglichen Spezifitäten in diesem Bereich?

Bibliographie

  • Achenbaum W.A. (1995), Crossing frontiers: Gerontology emerges as a science, New York, CUP.
  • Bernstein, B., (2007). Pédagogie, contrôle symbolique et identité. Théorie, recherche, critique. Laval, Presses de l’Université de Laval.
  • Caradec, V., (2004), Sociologie de la vieillesse et du vieillissement, Paris, Armand Collin, 2nd edition.
  • Feller, E., (2005), Histoire de la vieillesse en France 1900-1960. Du vieillard au retraité, Paris, Éditions Seli Arslan.
  • Foucault M., (1976), Histoire de la sexualité I. La volonté de savoir, Paris, Gallimard.
  • Foucault, M., (1975), Surveiller et punir. Naissance de la prison, Paris, Gallimard.
  • Frinault T. (2005), ‘La dépendance ou la consécration française d’une approche ségrégative du handicap’, Politix, 2005/4 n° 72, p. 11-31. DOI :10.3917/pox.072.0011.
  • Glootz T., (2009), Alterssicherung im europäischen Wohlfahrtsstaat. Etappen ihrer Entwicklung im 20. Jahrhundert, Franfurt am Main, Campus.
  • Goffman, E., 1968. Asiles. Etude sur la condition sociale des malades mentaux, Paris, Minuit [1961].
  • Henrard, J.-C., Ankri, J., (2003), Vieillissement – grand âge et santé publique, Rennes, Presses de l’ENSP.
  • Katz S., (1992), ‘Alarmist Demography: Power, Knowledge, and the Elderly Population’, Journal of aging studies, 1992/3, n° 6, p. 203-225.
  • Kohli M., (1986), ‘The world we forgot: A historical review of the life course’, inV. W. Marshall (ed.), Later life: The social psychology of ageing, Beverly Hills, CA, Sage, p. 271–303.
  • Leborgne-Uguen, F., Pennec, S., (2012), ‘Réflexions à partir d’une expérience universitaire de formations en sciences sociales dans le domaine du vieillissement’, Gérontologie et société 2012/3 n° 142.
  • Lhuillier, J.-M., (2009), Le droit des usagers dans les établissements et services sociaux et médico-sociaux, 4e Ed. Presses de l’EHESP, [2004].
  • Loffeier, I., (2013), Prise en charge des vieillissements. Le cas d’une EHPAD privé comme entité collective, PhD thesis, Aix-Marseille-Université.
  • Moody H.R. (1993). ‘Overview: What is Critical Gerontology and Why is It Important?’, in: Cole T., Achenbaum W., Jakobi P. & Kastenbaum R. (eds.), Voicesand Visions of Aging: Toward a CriticalGerontology. New York: Springer, xv–xli.
  • Moulaert, T., (2012), ‘Pourquoi les francophones préfèrent-ils la sociologie du vieillissement à la gérontologie critique?’, Gérontologie et société n° 142, p. 81-99.
  • Thomas, H., (2005), ‘Le “métier” de vieillard. Institutionnalisation de la dépendance et processus de désindividualisation dans la grande vieillesse’, Politix, 2005/4 n° 72, p. 33-55.
  • Thomas, H., (2007), ‘La promotion de la citoyenneté sociale et politique dans le grand âge à l’ère de la protection rapprochée’, Gérontologie et société 2007/1 n° 120, p. 99-114.
  • Thomas, H., (2009), ‘Policer le grand âge pour conjurer le péril vieux’, Mouvements 2009/3 n° 59, p. 55-66. 

Organisatorisches

Die Konferenz wird am 12. Und 13. März 2015 in Luxemburg stattfinden.

Vortragsvorschläge 

Vortragsvorschläge können in Französisch, Englisch und Deutsch eingereicht werden. Sie sind auf 1000 Worte beschränkt, sollten die Methode und den theoretischen Rahmen jedoch klar darstellen.

Die Vorträge werden vom wissenschaftlichen Gremium der Konferenz ausgewählt. Die Vortragenden werden im Anschluss gebeten werden, den Organisatoren einen Text von maximal 30.000 Zeichen (inklusive Leerzeichen) zuzusenden. Dieser wird der Leitung als Grundlage für die anschließende Diskussion dienen.

Es ist geplant eine Auswahl an Texten im Anschluss an die Konferenz zu publizieren.

Fristen

  • Die Abgabefrist für die Vortragsvorschläge ist der

15. September 2014.

  • Mit einer Antwort können Sie bis zum 30. September 2014 rechnen.

Scientific Board

  • Prof. Dieter Ferring, Head of the Research Unit INSIDE, University of Luxembourg.
  • Dr Martine Hoffmann, Head of Research at RBS-Center fir Altersfroen, Luxembourg.Ms Lucie Lechevalier-Hurard,PhD student, IRIS-Université Paris XIII, France.
  • Dr Iris Loffeier,Post-doctoral researcher, IPSE, University of Luxembourg.
  • Prof. Benoît Majerus, Assistant Professor, Research Unit IPSE, University of Luxembourg.
  • Dr Thibauld Moulaert, researcher at REIACTIS (France) and associate researcher at the Université Catholique de Louvain and the Université de Liège, Belgium.
  • Dr Isabelle Tournier, Post-doctoral researcher, INSIDE, University of Luxembourg. 

Organisers

  • Dr Iris Loffeier, post-doctoral researcher, IPSE, University of Luxembourg.
  • Ms Sophie Richelle, PhD candidate, IPSE, University of Luxembourg.
  • Ms Johanna Tietje, PhD candidate, IPSE, University of Luxembourg.
  • Ms Manon Pinatel, PhD candidate, IPSE, University of Luxembourg. 

Contact

Framag.conference@uni.lu

Orte

  • Luxemburg, Luxemburg

Daten

  • lundi, 15. septembre 2014

Schlüsselwörter

  • vieillissement, politique des âges, science et technique, histoire des sciences, gérontologie, gérontologie critique

Kontakt

  • Iris Loffeier
    courriel : iris [dot] loffeier [at] uni [dot] lu

Informationsquelle

  • Iris Loffeier
    courriel : iris [dot] loffeier [at] uni [dot] lu

Zitierhinweise

« Alt werden: Zwischen Wissenschaft und Politik », Beitragsaufruf, Calenda, Veröffentlicht am vendredi, 11. juillet 2014, https://calenda-formation.labocleo.org/292449

Beitrag archivieren

  • Google Agenda
  • iCal
Suche in OpenEdition Search

Sie werden weitergeleitet zur OpenEdition Search