StartseiteOn Homophonic Translation

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Veröffentlicht am mardi, 24. novembre 2015

Zusammenfassung

For the past fifty years, homophonic translation (traduction homophonique, sound translation, Oberflächenübersetzung) has been practiced internationally by an ever-increasing number of writers from the USA, the UK, Germany, France and beyond. Following pioneers such as Louis Zukofsky, Ernst Jandl and members of the Oulipo group, this heterodox genre (between translation and creation) has spread widely, to the point where it is among the exercises practiced in creative writing classes. Although some consider it as an unacceptable, illegitimate, and unethical practice, it is nonetheless true that such an approach to translation has acquired a crucial place within experimental writing, and notably in the poetic field.

Inserat

Argument

Innerhalb der letzten fünfzig Jahre hat sich die homophone Übersetzung (auch Oberflächenübersetzung, sound translation, traduction homophonique)einen festen Platz in der internationalen Literaturszene erobert. In den USA, in Deutschland, Frankreich und andernorts wird diese heterodoxe und hybride Textgattung von einer wachsenden Zahl von Dichtern praktiziert. Nachdem das Genre durch einige prominente Vorreiter wie Louis Zukofsky, Ernst Jandl oder die Mitglieder der Gruppe Oulipo bekannt gemacht wurde, hat das homophone Übersetzungsverfahren weltweit an Popularität gewonnen und zählt heute zu den kanonischen Schreibübungen der creative writing-Kurse an amerikanischen Universitäten. Trotz der harschen Kritik die immer wieder an dieser angeblich unseriösen, illegitimen ja ethisch bedenklichen Form der Übersetzung bzw. übersetzerischen Bearbeitung geübt wird, steht ihre zentrale Bedeutung für die experimentelle Literatur insbesondere im Bereich der Lyrik heute außer Frage.

Durch ihren methodischen Ansatz, einen Ausgangstext ohne Rücksicht auf dessen Sinn nur nach den Kriterien seines Wortklangs in eine andere Sprache zu übertragen, kann die Oberflächenübersetzung wie eine Provokation oder Zumutung wirken. Ihre bewusste Vernachlässigung bzw. Ignoranz der Sinnebene emanzipiert sich vom Imperativ sprachlicher Transparenz und stellt das utilitaristische Verhältnis zur Sprache radikal in Frage. Auf diese Weise  erscheint das homophone Übersetzen als ein privilegiertes Mittel zur kritischen Analyse, Revision und Dekonstruktion von literarischen Schreibweisen und sprachtheoretischen Diskursen. Diese Art des schöpferischen Übersetzens weigert sich, das Wortmaterial als ein durchsichtiges, immaterielles Medium zu betrachten. Stattdessen stellt sie mit den klanglichen Eigenschaften eine Form sprachlicher Materialität in den Vordergrund (die Ebene der melopeia im Sinne Ezra Pounds), die von einer rein sinnbezogenen Übersetzungsperspektive tendenziell ausgeklammert wird.

Ohne die Kategorie Sinn grundsätzlich zu verwerfen und dem Widersinn zu huldigen, versucht homophones Übersetzen also einer allzu restriktiven Konzeption von Bedeutung entgegenzuwirken, indem sie das Bewusstsein für sprachliche Materialität jenseits des ‚Sinns’ schärft. Darüber hinaus bringt das homophone Verfahren auch eine Neuberwertung der Beziehung von Original und Übersetzung mit sich. Durch eine paradoxe Propagierung sprachlicher Opazität unterminiert sie die Autorität des Originals und nimmt so Züge einer „Revanche des Übersetzers“ (Charles Bernstein) an. Ihr parodistischer Impetus bei der homophonen Verfremdung kanonischer Werke der Weltliteratur (wie beispielsweise bei Jandls Übersetzung von Wordsworth) besitzt somit eine subversive und kritische Dimension, die sowohl die Praxis wie auch die Theorie von Übersetzung und Literatur gleichermaßen betrifft. In diesem Zusammenhang stellt sich unter anderem die Frage, warum die homophone Übersetzung eines Celan-Gedichts fragwürdig ist, wie Rick Snyder feststellt, wohingegen Zukofkys Catull und Christopher Logues Illias als amüsantes literarisches Spiel oder als „Versuch der Unterminierung einer dominanten Poetik“ angesehen werden kann.  

Obgleich einige der bedeutendsten Dichter der letzten Jahrzehnte sich mit der Gattung Oberflächenübersetzung auseinandergesetzt haben, hat sich die internationale Forschung bisher noch kaum dem Phänomen angenommen. So liegt bislang noch kein Sammelband geschweige denn eine monographische Überblicksdarstellung zum Thema vor. Das vorrangige Ziel dieser ersten internationalen Konferenz zum homophonen Übersetzen besteht daher in einer Bestandsaufnahme sowohl was die Geschichte und aktuelle Entwicklung, wie was die sprachlich-geographische Ausbreitung dieser Praxis betrifft. Dementsprechend geht die Tagung aus von den Literaturräumen, wo das homophone Übersetzen in den 1950er Jahren zuerst in Erscheinung getreten ist, nämlich den USA bzw. Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Diese Eingrenzung dient als pragmatisch-heuristischer Orientierungspunkt im Rahmen einer transnationalen komparatistischen Investigation und ist keineswegs als Ausschluss anderer Literaturen zu verstehen.

Ziel der Konferenz kann und soll es nicht sein, zu einer ein-eindeutigen und normativen Definition von Oberflächen- bzw. homophoner Übersetzung zu gelangen. Vielmehr geht es darum, möglichst breit die verschiedenen Spielarten und Verlaufsformen dieser Gattung in ihrer Beziehung zur Entwicklung der literarischen und übersetzerischen Theorien und Praktiken allgemein zu erfassen. Homophone Übersetzung, so lautet eine der Arbeitshypothesen, lassen sich in der literarischen Textwirklichkeit nur selten in ihrer radikalen Reinform antreffen. Umgekehrt lassen bestimmte ‚orthodoxe‘ Übersetzungen, besonders wenn sie von Lyrikern stammen, oft eine hohe Sensibilität für klangliche Parameter erkennen, wenn sie nicht gar homophon arbeiten. Genau diese Überkreuzungen von Klang und Sinn, (Neu)Schöpfung und Nachahmung, Literatur und Übersetzung sollen im Zentrum der Überlegungen und Diskussionen der Tagung stehen. Dabei wird nicht zuletzt eine Übersetzungspoetik sichtbar, die bei vielen Dichtern einen dezidiert politischen Impetus besitzt.

Ein weiteres Ziel der Tagung besteht in der Ergründung der Entwicklungslinien und Quellen der homophonen Übersetzung mit dem erklärten Ziel, (transkulturelle) Einflüsse, Modelle und Vorläufer dieser Praxis aufzuspüren. Die relevanten Epochen reichen von den Neoavantgarden und historischen Avantgarden des 20. Jahrhunderts über die nursery rimes und die nonsense poetry der Viktorianischen Zeit bis zur makkaronischen Poesie der Barockzeit. In diesem Zusammenhang erweisen sich die Beziehungen zwischen hohen und niedrigen Gattungen sowie zwischen literarischem Ernst und Spiel von besonderem Interesse.

Themen

Die Beiträge können sich dabei sowohl auf Fallstudien konzentrieren wie auch größere historische oder theoretische Zusammenhänge bearbeiten. Nachdrücklich erwünscht sind Vorschläge zu folgenden Themen:

  • Geschichte und Spielarten der (interlingualen) homophonen Übersetzung bzw. Oberflächenübersetzung, vorrangig in den USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland;

  • Quellen und Ursprünge homophonen Übersetzens in seiner Beziehung zu anderen Schreibverfahren, literarischen Formen und Gattungen der Literatur- und Kulturgeschichte (u.  a. makkaronische Poesie, Mischsprachen, nonsense poetrynursery rimes, Bruitismus, Lautpoesie, Holoreim);

  • homophone Übersetzung in der internationalen Lyrikgeschichte; Übersetzung von homophonen Übersetzungen in andere Sprachen; homophone Übersetzung und mehrsprachige Literatur;

  • homophone Übersetzung und Populärkultur (u. a. falsches Latein, mondegreensoramimi);

  • kollektive Oberflächenübersetzung (u. a. Dichtergruppen, Gemeinschafts-übersetzungen, Kurse für creative writing);

  • die gegenseitige Beeinflussung homophoner Übersetzungsansätze und anderer Methoden der Lyrikübersetzung; der Ort homophoner Verfahren in der Übersetzungstheorie;

  • homophones Übersetzen zwischen Parodie und (Literatur- bzw. Übersetzungs)Theorie;

  • Rezeption und Kritik von homophonen Übersetzungen.

Vortragsvorschläge 

Die Einsendung von Vorschlägen in deutscher, französischer oder englischer Sprache wird bis zum 01.03.2016 an folgende Adresse erbeten: homophonic.translation.2016@gmail.com. Neben einem Exposé von ca. 250-300 Wörtern bitten wir um Angaben zu Person, wissenschaftlichem Werdegang und Publikationen, insbesondere auf thematisch relevanten Gebieten. Die Auswahl der Beiträge erfolgt bis zum 30.05.2016. 

Offener Korpus relevanter Autoren:

Gary Barwin, Marcel Bénabou, Charles Bernstein, Rolf-Dieter Brinkmann, Ann Cotten, Stacy Doris, Ulrike Draesner, Frédéric Forte, Christian Hawkey, Jeff Hilson, Paul Hoover, John Hulme, Ernst Jandl, Pierre Joris, Robert Kelly, Pierre Klossowski, Franz Josef Knape, Norbert Lange, François Le Lionnais, Tony Leuzzi, Christopher Logues, Léonce W. Lupette, Steve McCaffery, André Markowicz, David Melnik, bp Nichol, Oulipo, Oskar Pastior, Ezra Pound, Pascal Poyet, Stephen Rodefer, Ralf-Rainer Rygulla, Armand Robin, Ron Silliman, Julian Tuwim, Philip Terry, Chris Tysh, Louis Van Rooten, Gruppe Versatorium, Bénédicte Vilgrain, Rosmarie Waldrop, Uljana Wolf, Peter Waterhouse, Louis Zukofsky…

Veranstalter

  • Vincent Broqua (University of Paris at Saint-Denis) and
  • Dirk Weissmann (University of Paris at Créteil)

Sponsored by

  • EA Transferts critiques et dynamiques des savoirs, Université Paris-8, Vincennes–Saint-Denis
  • Institut des Mondes Anglophone, Germanique et Roman, IMAGER), Université Paris-Est Créteil
  • Équipe Multilinguisme, Traduction, Création de l’Institut des Textes et Manuscrits Modernes (ITEM),
  • CNRS/École normale supérieure
  • Labex TransferS, ENS/Collège de France/CNRS/PSL
  • Melodia E. Jones Chair, State University of New York at Buffalo

Keynote-Speakers

  • Charles Bernstein,
  • Jean-Jacques Lecercle,
  • Jacques Roubaud

Wissenschaftliches Komitee

  • Olga Anokhina (Centre national de la recherche scientifique, CNRS, Paris, France),
  • Camille Bloomfield (Université Paris-13 Nord/UMR Thalim Université Paris-3, France),
  • Antoine Cazé (Université Paris-Diderot, Paris-7, France),
  • Christine Ivanovic (Universität Wien, Vienna, Austria),
  • Jacques Lajarrige (Université Toulouse - Jean Jaurès, France),
  • Abigail Lang (Université Paris-Diderot, Paris-7, France),
  • Sylvie Le Moël (Université Paris-Est Créteil, France),
  • Jean-Jacques Poucel (University of Illinois at Urbana-Champaign, USA),
  • Jean-François Puff (Université Jean Monnet Saint-Étienne, France),
  • Arnaud Regnauld (Université Paris-8 Vincennes–Saint-Denis, France),
  • Monika Schmitz-Emans (Ruhr-Universität Bochum, Germany),
  • Eckhard Schumacher (Ernst Moritz Arndt Universität Greifswald, Germany),
  • Cole Swensen (Brown University, Providence, USA),
  • Claus Telge (Osaka University, Japan),
  • Jean-Jacques Thomas (State University of New York at Buffalo, USA)

Orte

  • Université Paris-Est Créteil
    Créteil, Frankreich (94)
  • Université Paris-8
    Saint-Denis, Frankreich (93)
  • Ecole normale supérieure
    Paris, Frankreich (75)

Daten

  • mardi, 01. mars 2016

Schlüsselwörter

  • traduction, poésie, homophonie, literature

Kontakt

  • Dirk Weissmann
    courriel : weissmann [at] u-pec [dot] fr
  • Vincent Broqua
    courriel : vincentbroqua [at] gmail [dot] com

Verweis-URLs

Informationsquelle

  • Dirk Weissmann
    courriel : weissmann [at] u-pec [dot] fr

Zitierhinweise

« On Homophonic Translation », Beitragsaufruf, Calenda, Veröffentlicht am mardi, 24. novembre 2015, https://calenda-formation.labocleo.org/347843

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