StartseitePaysage(s) de l’étrange

StartseitePaysage(s) de l’étrange

Paysage(s) de l’étrange

Landscapes of the strange

Art et recherche sur les traces visibles et invisibles des conflits : approches interdisciplinaires et inter-artistiques des patrimoines de guerre

Art and research relating to the visible and invisible traces of conflicts - interdisciplinary and inter-artistic approaches to war heritag

*  *  *

Veröffentlicht am mercredi, 28. juin 2017

Zusammenfassung

Diese Tagung ist Teil des 2016 begonnenen Forschungsprojektes, Landschaft(en) des Befremdlichen. Auf den sichtbaren und unsichtbaren Spuren eines regionalen Kulturerbes im Wandel: künstlerische und theoretische (Re-)Konstruktionen einer durch die Weltkriege geprägten Grenzregion“. Das Projekt hat sich in seiner ersten Phase dem Begriff der Spur [trace] in seinen materiellen (Kulturerbe, Architektur, Vegetation) und immateriellen (Erinnerung, Kultur) Dimensionen gewidmet, insbesondere in Bezug auf die konkrete Landschaft Lothringens, deren Geschichte durch zahlreiche kriegerische Auseinandersetzungen geprägt ist, in denen sich Franzosen und Deutsche, insbesondere im Kontext der beiden Weltkriege, feindlich gegenüberstanden.

Inserat

2017, 16-17 November

Präsentation

Die aktuellen Gedenkfeierlichkeiten anlässlich des hundertsten Jahrestages des Ersten Weltkriegs zeigen, dass ein großes Interesse an den Spuren der Kriege besteht, und dies insbesondere in den Regionen, die an die alten Frontlinien grenzen. In Frankreich kann man darüber hinaus eine zunehmende Wertschätzung des germanischen Kulturerbes aus der Zeit der ersten Annektierung des Elsasses und eines Teils Lothringens durch Deutschland (1871-1918) feststellen. Dies gilt insbesondere für die Architektur dieser Zeit, wovon die Aufwertung der Straßburger Neustadt sowie des Kaiserviertels in Metz zeugen, die einen zentralen Platz in den Bewerbungen beider Städte um die Aufnahme ins UNESCO-Weltkulturerbe einnehmen. Lässt sich dies als Zeichen einer aufgeklärten Haltung gegenüber der schmerzlichen Vergangenheit werten oder als kollektives Vergessen, das sich zu einem Zeitpunkt verstärkt, da die letzten Zeitzeugen verstorben sind? Oder handelt es sich vielmehr um das Zeichen einer Erinnerungskultur, die sich der Notwendigkeit bewusst ist, sich stets zu erneuern? Es ließen sich leicht Beispiele aus anderen Regionen Europas und anderswo in der Welt finden, die zeigen, dass sich die Sicht auf die konfliktreiche Vergangenheit im Laufe der Jahrzehnte gewandelt hat. Der zeitliche Rahmen, der den Beiträgen unserer Tagung als Grundlage dient, erstreckt sich über eine Periode von 150 Jahren (von 1870 bis heute) und umfasst somit die beiden Weltkriege und, was Franzosen und Deutsche angeht, auch den deutsch-französischen Krieg von 1870-1871.

Das Département Mosel und allgemeiner die neue Region „Grand Est“ sowie die angrenzenden Regionen und Länder (die „Hauts-de-France“ im Norden Frankreichs, das Saarland, Luxemburg, die belgische Wallonie etc.) erscheinen als Orte, an denen sich ein historischer Riss im Herzen Europas verdichtet, dessen Bruchlinien sich bis in die Familien erstrecken können (beispielsweise in Folge der Zwangseinberufung der französischen Männer in die deutsche Armee). Bis heute bleibt diese Geschichte (und die individuellen Geschichten, die damit verknüpft sind) brisant, doch ist sie zugleich immer schwerer zugänglich, zumal es inzwischen kaum mehr lebende Zeitzeugen des Zweiten Weltkrieges gibt. Der Ansatz unserer Tagung ist daher auch ein ethischer: es geht darum, die Formen einer möglichen Überlieferung [transmission] solch lokaler oder globaler Erinnerungen an die nachfolgenden Generationen zu befragen und zu erneuern, und dies trotz oder gerade wegen ihres schmerzhaften Charakters. Angesichts der aktuellen europäischen Krisen erscheint es besonders wichtig, daran zu erinnern, dass die Konstruktion einer stabilen Gemeinschaft vor dem Hintergrund jahrhundertelanger blutiger Kämpfe motiviert und notwendig wurde.

Die Tagung interessiert sich für jenes Material, das von den Kriegen und Grenzbewegungen im Kontext der verschiedenen Annektierungen und Besetzungen innerhalb von Frankreich und anderswo auf der Welt in der Gegenwart fortbesteht und sich neuen Diskursen öffnet, insbesondere in Form künstlerischer Werke. Man kann hier an die Frontlinien der beiden Weltkriegen denken, aber auch an die Zonen, die von jüngeren Konflikten zeugen, darunter auch jene, die im Kontext der Kolonialisierung, der Genozide, des Kalten Krieges oder auch der Rekonfiguration einiger Staaten innerhalb Europas (z. B. infolge des Krieges in Ex-Jugoslawien) stehen. Das künstlerische Schaffen ist imstande, die Erinnerung und ihre teils lückenhaften Erzählungen aufzugreifen, um auf das, was fehlt, aufmerksam zu machen. Darüber hinaus stützt sie sich im vorliegenden Projekt auf eine gegenwärtige Materie: die Landschaft. Warum? Weil diese die Stigmata der Auseinandersetzungen trägt, die in Lothringen ganz besonders intensiv waren (man denke unter anderem an die Schlachtfelder von Verdun), jedoch auch dazu tendiert, im Laufe der Zeit diese Spuren auszulöschen. In ständigem Wandel begriffen, spiegelt die Landschaft zu jedem gegebenen Zeitpunkt die Geschichte, die sie durchquert hat. Das Befremdliche, das hier mit der Landschaft in Zusammenhang gebracht wird, erscheint als das, was eine Brechung mit der bekannten Umgebung mit sich bringt, was diese erschüttert, beunruhigt, übersteigt (cf. das Unheimliche wie es von Freud definiert wurde). Infolge eines Krieges, einer Annektierung, einer Besetzung oder einer anderen Form gewalttätiger Übergriffe konserviert die Landschaft die befremdlichen Spuren, die einen Bruch im vormals vertrauten Kontext bedeuten.

Die Landschaft ist nicht nur die Ausdehnung eines Gebietes oder die Aussicht auf dieses Gebiet. Sie ist ebenso in einer physischen wie in einer mentalen Perspektive zu begreifen. Der Landschaftsbegriff ist eine instabile Konstruktion, die sich im Zwischenraum zwischen verschiedenen sie befragenden Disziplinen entwickelt. Wie François Dagognet in seinem Vorwort zu Mort du paysage : philosophie et esthétique du paysage [Tod der Landschaft: Philosophie und Ästhetik der Landschaft, nicht auf Deutsch erschienen] deutlich macht, tritt die „Sorge“ um die Landschaft gegen Mitte des 19. Jahrhunderts auf. Sie verstärkt sich im 20. Jahrhundert mit der Verkündung eines Gesetzes (Frankreich, 1930), das den Schutz der Landschaft unterstützt und diese als vollwertigen Teil des „Erbes“ [patrimoine] etabliert. Die Beziehung zwischen dieser Landschaft als Emanation eines Erbes (die Spuren des Krieges, die in einem Gebiet zurückbleiben) und den sichtbaren und unsichtbaren Transformationen der Orte, an denen dieses Erbe verankert ist, die häufig ein Gefühl von Befremdlichkeit mit sich bringen, ist offensichtlich. Der Begriff der Spur erlaubt es, die vielseitigen Lesarten dieses Erbes zu materialisieren und vor allem, diese Sichtweisen in einen kulturellen Kontext einzuschreiben, den die künstlerischen Praktiken durch ihre unterschiedlichen Herangehensweisen unterstreichen. Die Spur zeichnet die Realität einer Gegenwart auf, die auf eine Geschichte gebaut ist, die aus zahlreichen Schichten und Anstrichen besteht. Sie stellt einen Beweis dar, eine Stichprobe von etwas, das, während es im Verschwinden inbegriffen ist, in einem materiellen oder psychischen Eindruck überdauert.

Folglich stellt das vorliegende wissenschaftliche Projekt die Frage : Welches sind die neuen Formen des Zeugenberichts, der Restitution und der Überlieferung der Geschichte, ihrer verschiedenen Schichten, deren Spuren manchmal schwer als solche zu erkennen sind?

Die Beitragsvorschläge sollten sich in eine der folgenden Achsen einschreiben:

Die kulturelle Landschaft oder die Spuren der Transformation des (Kultur)-Erbes

Das Erbe [patrimoine] als gemeinschaftliches Erbe, das von einem Kollektiv an die nachfolgenden Generationen übertragen wird, interessiert uns in seinen materiellen (z. B. architektonischen) und immateriellen (z. B. sprachlichen) Formen. Unser besonderes Augenmerk gilt dem partiell unsichtbaren Erbe, das vernachlässigt oder sogar verdrängt ist, wie z. B. Im Département Mosel die von den Deutschen am Ende des 19. Jahrhunderts erbauten Militäranlagen, oder die Bunker und Flaktürme aus dem Zweiten Weltkrieg, die man an zahlreichen Orten Europas findet, die von den Deutschen besetzt waren. Fragen der Wiederherstellung, der Retranskription der historischen Ereignisse werden hier aus dem Blickwinkel der Landschaft und der ihr eingeschriebenen Spuren gestellt. Es sei daran erinnert, dass die Fragen der Erinnerung und der (getreuen oder fehlerhaften, gefälschten) Überlieferung der Tatsachen zur Konstruktion einer multiplen Identität beitragen, die das Erbe der Konflikte in sich trägt, von denen die konkrete Kulturlandschaft zeugt.

Die natürliche Landschaft, Überlagerung und Camouflage

Der Begriff des Erbes [patrimoine] wird hier von jenen Transformationen ausgehend beleuchtet, welche die Natur an den für die Konflikte charakteristischen Orten verursacht. Unser Anliegen ist es, die Konstruktion der verschiedenen Schichten zu studieren, die sich im Zuge der kombinierten Einwirkungen von Natur und Mensch in den Konfliktzonen formiert haben. Das Konzept der „Camouflage“ im Sinne eines Bildes für die Dialektik zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem und als gleichermaßen natürliches (Mimikry), militärisches und künstlerisches Phänomen (cf. „Camouflage!“, Heidelberg, 2015) befragt die Rolle der Landschaft in den uns interessierenden Gebieten. Die Analyse der Spuren der Konflikte im Inneren der Landschaft lässt in der Tat eine Form der Zersplitterung der Bauwerke erkennen, deren Vernachlässigung (da sie heute nicht mehr nutzbar und Symbole einer schmerzhaften Epoche sind) die Verschleierungen z. B. im Gebiet der Region Grand Est noch verstärkt, was auch der Fall in anderen Regionen ist, die ähnliche Ereignisse erlitten haben.

Die mentale Landschaft oder die psychische Repräsentation als Spur der Erinnerung und des Vergessens

diese Achse untersucht die psychischen Repräsentationen der Geschichte und die Wege, auf denen die Vergangenheit rekonstruiert, neu befragt, ja neu erfunden werden kann, und dies insbesondere vor dem Hintergrund künstlerischer Herangehensweisen, die sich der Geschichte annehmen. Der Begriff des Nachlebens (Warburg, Didi-Huberman) als eine im Unbewussten eingeschriebene Spur wirft eine zusätzliches Licht auf den Beziehungen zwischen Geschichte und mentaler Landschaft. Dass die Position von Künstler und Historiker Verbindungen aufweisen, zeigen nicht zuletzt Kunstwerke, die sich auf Archivmaterial stützen. Warum bleiben bestimmte Spuren lebendig und präsent, während andere verschwinden? Diese Dimension ist eng verknüpft mit der Dialektik zwischen singulärer Erinnerung und kollektivem Gedächtnis, zwischen einer sinnlichen Erfahrung und der Aneignung historischer Fakten, die im Zentrum zahlreicher künstlerischer und literarischer Schaffensprozesse steht.

Konkret sind Beitragsvorschläge erwünscht, die sich einem der folgenden Bereiche eingliedern lassen:

  • eine eigene künstlerische Herangehensweise (Kunst-Forschung), welche die Beschreibung und Analyse des persönlichen Vorgehens im Kontext der vorgestellten Konzepte beinhaltet
  • die Vorstellung eines Kunstwerks (auch aus den Bereichen Fotografie, Film, Literatur, Architektur, Musik), aus dem Feld zeitgenössischer Kunst (idealerweise nach 1990), das die Landschaft als aktuelle Dimension aufgreift und sich für die Spuren der Konflikte im Kontext dieser Landschaft interessiert
  • psychologische, geographische, soziologische Ansätze, die mit ihrer je eigenen Methodologie die Annäherung an die oben definierten Begriffe bereichern
  • historische Studien, die neues Licht auf eine oder mehrere geschichtliche Episoden werfen, die in Zusammenhang mit Kriegen und Konflikten und deren Auswirkungen auf die gegenwärtigen Landschaften einer spezifischen Region stehen
  • Beiträge zu den Konflikten zwischen Franzosen und Deutschen, zu den Spuren ihrer gemeinsamen konfliktreichen Vergangenheit in den Grenzgebieten (Lothringen, Elsass, Saarland) und zur besonderen Situation der anderen an die Westfront angrenzenden Länder (Belgien, Luxemburg, Niederlanden) sind besonders willkommen

Bewerbungsmodalitäten

Die Vorschläge sind bis zum 15. August 2017

an die folgenden E-Mail-Adressen zu übermitteln: susanne.muller@univ-lorraine.fr – aurelie.michel@univ-lorraine.fr

Die Bewerbungen (auf Deutsch, Englisch oder Französisch) sollten folgende Elemente beinhalten:

eine kurze Biographie des/der Autors/Autorin/Autoren

eine Zusammenfassung (ca. 300 Wörter) des Vortrags, die die Thematik und das Feld skizziert, in die sich der Beitrag einfügt

Die Autoren werden vor dem 31. August 2017 über das Ergebnis des Auswahlverfahrens informiert. Eine Publikation der Tagungsbeiträge ist für 2018 vorgesehen.

Wissenschaftlicher Beirat

Orte

  • Université de Lorraine - Île du Saulcy
    Metz, Frankreich (57)

Daten

  • mardi, 15. août 2017

Schlüsselwörter

  • paysage, trace, recherche-création, patrimoine, art contemporain, transmission, commémoration

Kontakt

  • Susanne Muller
    courriel : susanne [dot] muller [at] univ-lorraine [dot] fr
  • Aurélie Michel
    courriel : aurelie [dot] michel [at] univ-lorraine [dot] fr

Informationsquelle

  • Susanne Muller
    courriel : susanne [dot] muller [at] univ-lorraine [dot] fr

Zitierhinweise

« Paysage(s) de l’étrange », Beitragsaufruf, Calenda, Veröffentlicht am mercredi, 28. juin 2017, https://calenda-formation.labocleo.org/410477

Beitrag archivieren

  • Google Agenda
  • iCal
Suche in OpenEdition Search

Sie werden weitergeleitet zur OpenEdition Search