StartseiteNatürlich, künstlich, digital: Sozio-materielle Wechselbeziehungen

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Natürlich, künstlich, digital: Sozio-materielle Wechselbeziehungen

Naturel, synthétique, digital : connections socio-matérielles

Natural, synthetic, and digital: socio-material connections

Numéro Spécial « Tsantsa » 26

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Veröffentlicht am vendredi, 06. décembre 2019

Zusammenfassung

Ce numéro spécial de la revue Tsantsa souhaite initier une réflexion anthropologique autour des questions suivantes : Com­ment et dans quelle mesure le synthétique et le digital peuvent-ils aussi être biologiques, et qu’y a-t-il de naturel dans des produits et processus artificiels ? Quelles sont les frontières et les formes de contamination entre intelligence humaine et artificielle, entre production digitale et matérielle, ceci aussi bien dans les espaces économiques que dans les sphères intimes de la vie ? Quels questions et enjeux l’émergence de cultures digitales et synthétiques posent-elles à la condition humaine et post-humaine ? Comment le travail, la santé et les pratiques sociales sont-elles transformées par la digitalisation et le synthétisation croissantes des processus de production ? Comment la valeur est-elle créée et définie au travers de ces différents ordres épistémologiques, matériels et sociaux ? Quelles sont les conditions politiques, épistémologiques, écologiques et sociales qui sous-tendent un futur où propriétés digitales et synthétiques sont toujours plus imbriquées ?

Inserat

Präsentation

Wir befinden uns in einem neuen Zeitalter der Materialitäten. Ob in industriellen Laboren oder tropischen Regenwäldern; in Agrar- und Lebensmittelsystemen oder synthetischen Fleischerzeugnissen; oder in Computer-simulationen bis hin zur medizinischen Biotechnologie: das Verhältnis zwischen dem „Natürlichen“, Künstlichen und Digitalen hat sich gewandelt. Obgleich ihrer empirischen Überlappungen in verschiedenen Wertschöpfung-sprozessen und Industrien priorisieren anthropologische Betrachtungen derzeit die materiellen Besonderheiten von und die Abgrenzung zwischen dem Synthetischen und dem Digitalen im Hinblick auf ihre Beziehung zum sogenannten „Natürlichen“. Anstatt natürliche, künstliche und digitale Welten als politisch antagonistisch, materiell abgegrenzt oder ontologisch getrennt von einander zu betrachten, stellt diese Tsantsa-Sonderausgabe die Frage, wie digitale, künstliche und natürliche Materialitäten durch die verschiedenen sozio-materiellen Prozesse der Mediation, Umwandlung und Wertbestimmung ineinander verzahnt sind. Inspiriert von früheren Konzeptualis-ierungen „hybrider“ menschlicher und nichtmenschlicher Kollektive (Latour 2005), den Reibungen der globalen Vernetzung von Mobilität, Form und Handlungsfähigkeit (Tsing 2005), und dem Verschwimmen von Grenzen zwischen dem Natürlichen und dem Künstlichen durch Cyborgs (Mitchell 2003), wollen wir hier herausstellen, wie die Besonderheiten von und die Abgrenzungen zwischen diesen materiellen Ordnungen produziert werden und mit einander verschränkt sind. Unsere Herangehensweise an Mediation fokussiert sich dabei auf die konzep-tionellen und realen Verschränkungen zwischen Materialitäten; Umwandlung betrachtet die ordnungsübergreifend-en Transformationen von Form und Substanz; und Wertbestimmung impliziert letztlich die Entsprechung, Bewertung und Vermarktlichung von biosozialen und ökonomischen Prozessen innerhalb und über künstliche, digitale und natürliche Ordnungen hinweg.

Seit Langem gehören Kunstfaser, -stoff und -gewebe zu den Grundbausteinen des modernen Massenkonsums. Mit den neuerlichen Versuchen, das Leben selbst zu synthetisieren und zu technologisieren, sowie mit den expandierenden Perspektiven für eine digital-mediierte und durch Algorithmen und künstliche Intelligenz gesteuerte Zukunft, hat die Sozialwissenschaft begonnen, von der Entstehung von und der Grenzüberschreitung zwischen natürlichen, künstlichen und digitalen Produkten in einer großen Bandbreite an sozio-kulturellen, politischen und ökonomischen Kontexten Bestand zu nehmen. Neben Forschung zu virtuellen Realitäten haben AnthropologInnen und andere SozialwissenschaftlerInnen die sozialen und politischen Auswirkungen digitaler und algorithmischer Prozesse untersucht, einschließlich des Interface und der Mediation zwischen Menschen und Computern (Coleman 2013, Kockelman 2017), und zeigen akutes Interesse daran, wie in den Naturwissen-schaften neue Lebensformen erschaffen werden (z.B. Roosth 2017). Wir wollen diese Analysen unter dem Licht der sozio-materiellen Prozesse der Mediation, Umwandlung und Wertbestimmung neu beleuchten und vorant-reiben. Nehmen wir beispielhaft Diamanten und menschliche Zellen, die als organische Stoffverbunde auch in Laboren gezüchtet werden können, sowie sie auch zum Subjekt von digital-mediierter Krypto-Zertifizierung and Datenmanagement gemacht werden. In diesen Umwandlungen überlappen sich natürliche, synthetische und digitale Materialitäten auf eine Art und Weise, dass daraus neue Formen der Mediation, Bio-Ökonomie und Wertbestimmung entstehen.

Diese Sonderausgabe stellt sich einer anthropologisch relevanten, neuartigen Reflektion um folgende Fragen: Kann das Synthetische oder Digitale auch biologisch sein? Und was ist an künstlichen Stoffen und Prozessen natürlich? Welche sind die Grenzen, Lecks und gegenseitigen Kontaminationen zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz, digitaler und synthetischer Produktion, von Wirtschaftsräumen bis in die intimen Bereiche des Lebens? Welche Fragen und Herausforderungen ergeben sich aus den wachsenden synthetischen und digitalen materiellen Kulturen für den Zustand des Menschlichen und des Post-Menschlichen? Wie werden Gesundheit, Arbeit und Sozialität durch digitale und synthetische Produktionsprozesse transformiert? Wie wird Wertigkeit über diese verschiedenen sozialen, epistemologischen und materiellen Ordnungen definiert und geschaffen? Was sind die politischen, epistemologischen, ökologischen und sozialen Voraussetzungen für eine Zukunft, welche immer stärker in synthetischen und digitalen Werten verstrickt zu werden verspricht?

Durch die Beantwortung dieser Fragen widmet sich dieser Sonderausgabe zwei Hauptzielsetzungen: Erstens theorisieren wir das Soziale in den Prozessen der Mediation, Umwandlung und Wertbestimmung von natürlichen Kunststoffen, dem Menschlichen in künstlicher Intelligenz und der Materialität von digitalen und materiellen Elementen. Zweitens gibt sich diese Sonderausgabe die Aufgabe, die Wechselbeziehungen zwischen digitalen und materiellen Beschaffenheiten sowie organischen und synthetischen Stoffen zu untersuchen, um sich über ihre es-sentiellen Eigenschaften hinweg zu setzen. Gerne nehmen wir ethnografische Beiträge entlang der beschriebenen Forschungsfragen entgegen, die unsere Betrachtung öffnen für eine neuartige Reflektion über die Natürlichkeit digitaler und künstlicher Prozesse; über die phänomenologische Erfahrung des Besetzens digitaler Räume und des Verkörperns synthetischer Stoffe; sowie über die Bedeutung der neuen sozialen und arbeitstechnischen Konven-tionen, welche durch die Verflechtung natürlicher, digitaler und künstlicher Materialitäten ermöglicht werden.

Einreichung

Wir bitten um die Einsendung von Abstracts (max. 2000 Zeichen) an: filipe.calvao@graduateinstitute.ch; matthieu.bolay@graduateinstitute.ch; lindsay.bell@uwo.ca; info@tsantsa.ch.

Zeitplan für die Veröffentlichung:

  • Abstracts: 7. Januar 2020

  • Vollständige Artikel: Mai 2020
  • Veröffentlichung: Frühjahr 2021

Literatur

Coleman, G. 2013. Coding Freedom: The Ethics and Aesthetics of Hacking. Princeton, NJ: Princeton UP.

Kockelman, P. 2017. The art of interpretation in the age of computation. Oxford University Press. Latour, B. 2005. Reassembling the social: An introduction to Actor-Network-Theory. Oxford: Oxford UP Mitchell, W. J. 2003. Me++: The cyborg self and the networked city. Cambridge: MIT Press Roosth, S. 2017. Synthetic. How Life Got Made. Chicago: University of Chicago Press

Tsing, A. L. 2005. Friction: An ethnography of global connection. Princeton University Press.


Daten

  • mardi, 07. janvier 2020

Schlüsselwörter

  • synthétique, digital, naturel, matérialité

Informationsquelle

  • Matthieu Bolay
    courriel : matthieu [dot] bolay [at] gmail [dot] com

Zitierhinweise

« Natürlich, künstlich, digital: Sozio-materielle Wechselbeziehungen », Beitragsaufruf, Calenda, Veröffentlicht am vendredi, 06. décembre 2019, https://calenda-formation.labocleo.org/713317

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